Buchtipps

Hans-Herbert Holzamer

Optimales Wohnen und Leben im Alter

Alle Wohnformen im Überblick. Alle staatlichen Förderungen. Checklisten und Adressen.

Stern-Ratgeber, 9,90 €
Linde Verlag 2008
11.02.2008
176 Seiten kart.
ISBN: 9783709301968


Wohin im Alter?

Bei dem Bestreben, den Umzug ins Heim zu vermeiden, suchen ältere Menschen nach Alternativen. Und heute stehen ihnen viele Wohnformen zur Auswahl, die den individuellen Wünschen und Bedürfnissen besser entsprechen oder zu entsprechen vorgeben.

Dieser Ratgeber zeigt sämtliche Möglichkeiten auf: vom Eigenheim über betreutes Wohnen bis hin zur Alten-WG und Seniorenresidenz. Dabei widmet sich der Autor vor allem der Option, im eigenen Haus oder in der eigenen Wohnung zu bleiben. Er beschreibt, welche Sofort- und welche Umbauarbeiten erforderlich sein können, welche Formen von Unterstützungen es gibt und welche staatlichen Förderungen in Frage kommen.

Ein Ratgeber für alle, die ihr Wohngefühl im Alter nicht dem Zufall überlassen möchten!

Aktualität des Themas

Wir werden immer älter. Doch wann sind wir alt? Wann sind unsere Eltern alt? Wann sind die alt, die uns am Herzen liegen, Freunde und Verwandte, um die wir uns kümmern? Vom Mittelalter, als ein 40-jähriger bereits ein alter Mann war, wollen wir nicht reden. Aber fing das Seniorentum nicht noch vor 10 Jahren bei einem Alter von 55 an? Das war plötzlich, die Renten waren (angeblich) noch sicher, eine umworbene Zielgruppe. Auch spezielle Wohnformen wurden für sie entwickelt. Sie sollten Selbstständigkeit, Komfort, Sicherheit und viel Service bieten. Von Residenzen war die Rede, nicht wohnen sollte der Senior in Anlehnung an einen IKEA-Slogan, sondern residieren wie ein Fürst. Zum Sammelbegriff für diese Wohnform, kein Heim aber auch kein Wohnen mehr in der Familie, wurde "Betreutes Wohnen". Da viele Anlagen eine Geschäftsidee für die vitalen "50pluser" aber kein Wohn- und Service-Konzept hatten, machten viele, statistisch gesehen fast die Hälfte, eine Bauchlandung, und das betreute Wohnen bekam Schatten.

Inzwischen gibt es eine Reihe von Organisationen, die im Interesse der Senioren, der Kommunen, der Betreuungsträger und der Bauwirtschaft Qualitätskriterien aufgestellt haben. Und mit der DIN 77800 gibt es auch eine Definition, was betreutes Wohnen eigentlich ist.

Eines haben die schlechten Nachrichten über viele Wohnanlagen auch erreicht: Man hat begonnen, sich ernsthaft mit dem Wohnen im Alter zu befassen. Die Diskussion hat gerade erst begonnen. Doch bereits jetzt zeigt sich, die Senioren stehen nicht unbedingt im Mittelpunkt. Es geht auch und vor allem um Geld und Einfluss. Dieser Wegweiser will den Betroffenen helfen, die Interessen derer, die auch im Alter sicher und selbstständig leben wollen, zum Ziel zu führen. Die Frage, wann sind wir alt, hat damit Bedeutung erfahren, aber noch lange keine Antwort.

Der Anteil der über 60-jährigen, der um die Jahrhundertwende bei 5 Prozent lag, liegt heute bei rund 25 Prozent und wird im Jahre 2030 bei 35 bis 38 Prozent liegen. Im Jahr 2050 wird -nach der neuesten Berechnung des Statistischen Bundesamtes- die Hälfte der Bevölkerung älter als 48 Jahre und ein Drittel 60 Jahre oder älter sein.

Ein 60-jähriger Mann hat heute im Durchschnitt noch etwa 20 Lebensjahre vor sich, eine 60-jährige Frau sogar noch 24 Lebensjahre. Und das bei besserer Gesundheit und höherer Kompetenz, als es in früheren Zeiten der Fall war. Eine Pflegebedürftigkeit tritt nach Angaben des Statistischen Bundesamtes verstärkt erst bei Menschen über 85 Jahren auf. Selbst in der Altersgruppe der 85 bis 90jährigen können sich 60 Prozent meist noch gut alleine versorgen.

Das Thema betrifft aber nicht nur die Alten, sondern auch die Angehörigen, vor allem die Kinder. Es betrifft Freunde und es betrifft Staat, Kommunen, Kirchen und soziale Träger.

 

 

Katrin Rohnstock

"Der letzte Neubeginn"

Senioren erzählen vom Umzug in ihr Altersdomizil

Verlag Barbara Budrich,
Leverkusen 2010
169 Seiten, 14,90 €
ISBN: 978-3-86649-305-6


© Die Berliner Literaturkritik, 22.06.10
Von Leonhard Reul

Katrin Rohnstock gibt ein Buch heraus, das außerordentliche Brisanz besitzt. Der Titel lautet: "Der letzte Neubeginn. Senioren erzählen vom Umzug in ihr Altersdomizil". Knapp 20 alte Menschen kommen in dem 160 Seiten starken Band zu Wort und erzählen zehn Autoren der "Firma Rohnstock Biografien" (die laut Klappentext auf autobiografisches Ghostwriting spezialisiert sei) ihr Leben. Ein Leben, das im Altersheim endet und das nicht immer darauf angelegt war, dort zu enden. Ein spannendes Projekt, das viel verspricht. Einblick ins Erleben der alten Menschen, die ihre vertraute Umgebung aufgrund von verschiedensten Umständen aufgeben müssen und den letzten Neubeginn im Altenheim wagen. Ein Buch, das von den Ängsten und Vorbehalten der Senioren gegenüber der Institution Heim berichtet. Und den Überraschungen, die es dort für sie zu erleben gibt. Jeder Teilnehmer gibt zum Abschluss auch eine Wertung ab, was er vom nun geführten Heimleben hält.
Und hier beginnt die Schwäche des Buches: alle Befragten sind rundum zufrieden. Keiner klagt über Zustände, wie sie dem Kundigen aus der Welt der Altenpflege bekannt sein dürften. Alle Erzählenden sind froh in der sicheren, sie versorgenden, ihnen hotelartig erscheinenden Welt der letzten Lebensphase angekommen zu sein. Zwar flackert hin und wieder Wehmut auf, wenn sich die Senioren ihrer früheren Eigenständigkeit erinnern, aber der Grundtenor bleibt: "Gut, dass wir im Heim sind." Und dieses Credo ist in dieser Häufigkeit einfach schwer zu glauben. Zwar ist Rohnstocks Klientel ein (in materieller Hinsicht) überdurchschnittlich Gesegnetes, das in Häusern mit prachtvollen Namen und oftmals gar korrespondierenden Anlagen logiert – aber selbst hier schlägt das Gebrechen und das damit verbundene Leiden in der Regel erbarmungslos zu.

Doch darüber werden nur wenige Worte gemacht – sei es nun von den Betroffenen selbst oder den Autoren, die in unterschiedlicher Güte rekapitulieren, was ihnen in der Begegnung mitgeteilt ward. Von berührenden Zeugenberichten Zurückgebliebener und Liebender bis zu den sich sehr Distanzierenden, die sich aufs Schildern von Projekten im Heim beschränken, ist im Buch aber alles geboten.
Wer soll dieses Buch aber nun mit welchem Gewinn lesen? Diese Frage stellt sich nach jedem Bericht immer drängender. Sollen lediglich Senioren, die in der Entscheidungsphase "Heimplatz suchen ja/nein" durch diese Erfolgsgeschichten (mit nur minimalen Freiheits- und Sach-Verlusten, geringen bald überwundenen Eingewöhnungsschwierigkeiten) motiviert werden, selbstverantwortlich tätig zu werden? Soll gar eine werbende Empfehlung für die jeweils zu Beginn eines jeden Berichts genannte Institution ausgesprochen werden? Ist der Band mit dem suggestiv anmutendem Cover (ein Blick ins Grüne hinaus, durch ein schönes Fenster mit Goldknauf) die ideale Weihnachtsgabe besorgter Kinder, die ihre Eltern versorgt wissen wollen? Wer würde nicht gerne gleich nach der Lektüre in eines der luxuriösen Häuser ziehen wollen?

Ohne die reimenden Versuche einer glücklichen Bewohnerin zu diskreditieren – aber ist der Heimaufenthalt nicht doch etwas zu rosarot dargestellt in nachfolgenden Zeilen: "Hinter hohem Gittertor/ im Apartment mit Komfort/ lebe ich total beschützt/ was dem Seelenfrieden nützt.// Gegen körperlichen Kummer/ hängt an Schnur ein Notruf-Summer./ Garantiert ist dann sofort/ Erste Hilfe gleich vor Ort.// Ganze Haushaltsplackerei/ ist vergessen und vorbei./ Nix mit kochen oder putzen, / gute Geister sind von Nutzen.// Süße Freuden täglich warten/ in dem schönen Wintergarten/ und im Hofteich ziehen leise/ goldne Fische ihre Kreise. (…)"
Rohnstock zeichnet die Welt des Altersluxusdomizils in den schönsten Farben. Dass es sich dort aushalten ließe – hinter dem güldenen Tor mit Blick auf goldene Fische und hin und wieder Kaffee und Kuchen mit goldenem Besteck, das will man gerne glauben. Doch das von ihr vorgestellte Altersleben ist die Ausnahme Weniger und nicht die Regel. Fair wäre gewesen, im Titel nicht den Eindruck der Allgemeingültigkeit zu erwecken – oder den Band eben um Berichte der weniger Glücklichen zu ergänzen, die in den vom reichen Rohnstock-Klientel (es wird sogar lächerlicherweise Schleichwerbung betrieben, wenn erwähnt wird, Heimbewohner XY schreibe gerade mit der Firma Rohnstock seine Autobiografie) abgelehnten Heimen leben. So jedoch ergibt sich ein selektiver Blick auf eine Minorität unter dem Deckmantel, einen Querschnitt des Lebens im Altenheim zu zeichnen.
So wird das Unterfangen unehrlich – weil es eben nur "a brave new world" vorspielt, wo es auch viel Schatten zu zeigen gäbe. Es gäbe die Möglichkeit, viel mehr Informationen zu geben, zu differenzieren und so eine glaubwürdige Schrift herauszugeben. So hingegen bleibt der Leser nur irritiert zurück: "So schön also ist das Altenheimleben?". Einem Vorurteil – "in solche Heime geht man eh nur zum Sterben"– mit der konträren Sichtweise – "in solchen Häusern wird endlich alles gut" – zu begegnen, ist nicht der Weisheit letzter Schluss.

Auch wenn das inhaltliche Konzept nur wenig überzeugt, so ist doch jedem alten Menschen, der im Rahmen dieser Reihe seine mitunter berührende Lebensgeschichte erzählt, offen Gehör zu schenken. Denn die Art und Weise, wie die lebensklugen Menschen sich mit Verlusten und Unabänderlichkeiten arrangieren oder auch Trauerarbeit leisten, ist beachtlich. Und sie kann uns allen etwas lehren, wenn auch nicht über den Heim-Alltag der "Durchschnittssenioren".

Hut ab also vor den gesammelten Lebensberichten – der Idee eine Bilanz zu ziehen unter dem Aspekt der Lebensorte und Möglichkeitsräume. Durchaus auch Respekt für so manchen einfühlsamen Autor, der auf wenigen Seiten mit geschickt gewählten Mitteln ein stimmiges Bild von einem Menschen und dessen Lebensprojekt zeichnet. Allerdings ist die Themenfrage schlicht und ergreifend nur unzureichend beantwortet und der Verdacht geschürt, der Firma Rohnstock gehe es mit dieser Publikation nur um eine geschickte Form der Werbung, um neue Kunden mit autobiografischen Ambitionen für sich zu akquirieren. Und das ist schade.